Zucker gehört in unserem Alltag dazu wie das Zähneputzen nach dem Aufstehen. Dass die meisten Menschen viel zu viel Zucker essen, ist ihnen oft gar nicht bewusst. Dabei können zu viele Leckereien schwere Folgen haben. Beim "Stadtgespräch Gesundheit" ging die AOK dem hohen Zuckerkonsum in unserer Gesellschaft nach. Für Bundesernährungsminister Cem Özdemir sind unter anderem die Lobbyinteressen in der Lebensmittelindustrie ein schwieriger Gegner im Kampf für eine gesündere Ernährung für alle.
Podiumsdiskussion für mehr gesunde Ernährung
Schokolade, Eiscreme oder Gummibärchen: Wenn man Menschen nach ihrem Lieblingssnack fragt, bekommt man oft eine dieser Antworten. Doch süße Leckereien haben einen großen Haken: Sie sind sehr zuckerhaltig und damit ungesund. Neben Übergewicht erhöht Zucker auch das Risiko für viele schwere Krankheiten, wie zum Beispiel Diabetes. Cem Özdemir (Grüne) sieht aber auch eine positive Entwicklung: „Das Thema Zucker in der Ernährung hat in den letzten Jahren massiv zugenommen“, sagt Özdemir. Auch im Handel sei das Thema mittlerweile angekommen. Immer mehr Produkte mit reduziertem Zucker werden angeboten. Trotz der gestiegenen Sensibilität für Zucker und gesüßte Lebensmittel habe Deutschland zu viele Menschen, die übergewichtig oder sogar adipös sind, so Özdemir. Beim „Stadtgespräch Gesundheit“ der AOK ging es am Donnerstagabend im Theaterhaus in Stuttgart um das Thema gesunde Ernährung.
Eine soziale Frage?
Für Özdemir ist klar, dass nicht alle Menschen, die sich besser ernähren wollen, das auch können. Manchmal läge das an mangelnden Informationen, oft aber auch an fehlendem Geld. „Ernährung ist leider oft eine soziale Frage“, sagt Özdemir. Es müsse für alle einfacher werden, sich gut, gesund und nachhaltig zu ernähren, erklärt Özdemir weiter. Für die Stuttgarter Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann ist das weniger eindeutig. „Es gibt sicherlich einen Zusammenhang, aber gesunde Ernährung hängt nicht immer automatisch mit dem Geldbeutel zusammen“, so Sußmann. Es gäbe schließlich auch viele Familien mit weniger Geld, die keine schlechte Ernährung hätten. Stuttgart habe außerdem viele Angebote, die auch ärmeren Familien eine gute Ernährung ermöglichen würden.
Viele Kinder mit schlechter Ernährung
„Wir wollen Kinder besser vor Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker, Fett und Salzgehalt schützen“, teilt Özdemir mit. Studien zufolge habe jedes sechste Kind während Corona zugenommen. Dabei handle es sich hauptsächlich um Kinder, die schon vorher Probleme mit der Ernährung bei sich zu Hause hatten. „Bei den Kitas haben wir viele Fortschritte gemacht“, sagt Sußmann. So sei das Essen in den Stuttgarter Kitas deutlich gesünder geworden. Weitere Projekte und Programme seien bereits im Gange. An zwei Pilotschulen ist beispielsweise eine Gesundheitsfachkraft vor Ort, die ständige Aufklärung und Beratung leistet. Für die AOK sind Empfehlungen alleine jedoch nicht genug. „Wir müssen den Nutri-Score verpflichtend einführen“, sagt Alexander Sikler von der AOK Böblingen.
Lobbyinteressen behindern gesunde Ernährung
Für Özdemir sind Lobbyinteressen in der Lebensmittelindustrie ein großes Problem im Kampf für mehr gesunde Ernährung. „Ich würde ihnen nicht die volle Wahrheit sagen, wenn ich sagen würde, das es nicht auch um harte ökonomische Interessen und Lobbyinteressen geht“, sagt der Bundesminister. Özdemir ist sich sicher, diese Lobbyinteressen würden nicht alles gut finden, was beim Stadtgespräch besprochen wurde. Um gegen die Lobbyinteressen anzukämpfen, hofft er auf viel Unterstützung aus der Gesellschaft. Gesündere Ernährung beispielsweise in Kitas und Krankenhäusern soll in Zukunft Standard werden.
Zuckersteuer für ungesunde Lebensmittel?
„Es ist schwer, gegen die Zuckerindustrie anzukommen“, sagt Jasmin Schuster, die das Startup PureCake gegründet hat, das sich auf zuckerreduzierte Lebensmittel spezialisiert. Lösung könnte eine veränderte Steuer sein. „Um eine gesunde Wahl zu treffen, wäre es gut, eine abgestufte Mehrwertsteuer zu haben“, so Baptist Gallwitz vom Uniklinikum Tübingen. Ungesunde Nahrungsmittel sollten nach Gallwitz höher besteuert werden als gesunde aus der Region. Auch der sozialen Frage in der Ernährung könne man so entgegen wirken. Auch Sußmann würde bei der Steuer ansetzen, um die Industrie mit ins Boot zu holen.
Gesunde Ernährung auch für Klimaschutz wichtig
Auch der Klimaschutz hängt für Özdemir eng mit gesunder Ernährung zusammen. „Ernährung und die Art, wie wir Lebensmittel erzeugen, was wir essen und wie verschwenderisch wir mit Lebensmitteln umgehen, das hat Einfluss auf die Umwelt“, erklärt Özdemir. Andersherum hätten Klima und Umwelt auch einen großen Einfluss darauf, ob und wie gesunde Ernährung in Zukunft ermöglicht werden könne. „Auch deshalb entwickeln wir gerade eine Ernährungsstrategie“, so Özdemir. Die Auftaktveranstaltung zur neuen Strategie Ende Juli habe eine gute Resonanz gegeben.
Hohe Zahl an Diabetikern
„Die WHO sagt, dass es inzwischen 422 Millionen Menschen gibt, die Diabetes haben“, sagt Moderator Martin Haar, der im Hauptberuf für die Stuttgarter Zeitung/Nachrichten arbeitet. In Deutschland sind es mittlerweile über acht Millionen Menschen, die an Diabetes leiden. Für Gallwitz leide die Welt an einer „Diabetes-Pandemie“. Schuld sei, außer Zucker, zu wenig Bewegung und eine insgesamt zu kalorienreiche Ernährung. „Die WHO hat 2012 gesagt, dass jedes Land eine nationale Diabetes-Strategie entwickeln sollte“, so Gallwitz. In Deutschland steht die Umsetzung einer solchen Strategie noch aus.
Hinweis: Diese Produktion ist im Auftrag der AOK Stuttgart-Böblingen entstanden.
Foto: STUGGI.TV